REGIE-STATEMENT
Ich begegnete Ute Strub zum ersten Mal, als ich 2012 mit meiner anderthalb-jährigen Tochter ins Strandgut kam. Ich hatte zuvor noch keinen vergleichbaren Ort kennengelernt. Die liebevolle Gestaltung im Strandgut strahlte Ruhe auf mich aus.
Die Pikler-Pädagogik war mir schon irgendwie bekannt, doch erst jetzt wurde sie für mich greifbar. Ich hatte sie noch nie so in einem Menschen verkörpert erlebt wie in Ute Strub. Ich kann mich noch an das erste Beratungsgespräch mit ihr erinnern: Ich hatte in der Zeit Schwierigkeiten, im Umgang mit meiner Tochter geduldig zu bleiben, es war abends und ich war unruhig. Ich rief sie an und ganz selbstverständlich übte sie mit mir am Telefon das Ausatmen. Damals habe ich als Mutter nach Perfektion gestrebt, und ich war frustriert, dass mir oft nicht gelang, was ich mir vorgenommen hatte. Meine Haltung hat sich durch die Seminare bei Ute verändert. Heute fällt es mir leichter, den Druck loszuwerden und sanfter mit mir selbst umzugehen.
Die Idee einen Film über Ute Strub zu machen, entstand aus dem Wunsch, ihre Arbeit und ihr Wirken festzuhalten. Sie hat sich in ihrem Leben energisch dafür eingesetzt, dass die Arbeit von Emmi Pikler, aber auch von anderen wegweisenden Menschen, wie der Bewegungspädagogin Elfriede Hengstenberg, Verbreitung finden und nicht in Vergessenheit geraten. Aber ihr eigenes Wirken, das, was sie ausmacht, wurde bisher nicht dokumentiert.
Filmisch die haptischen und feinen Sinneswahrnehmungen darzustellen, die bei Utes Selbstversuchen eine zentrale Rolle spielen, war eine beinahe unmögliche Aufgabe. Ich hoffe trotzdem, dass der Zuschauer und die Zuschauerin einen Hauch von Inspiration bekommen, was Utes Arbeit bewirken kann und dabei vielleicht auch Lust, es selbst auszuprobieren.
Laura Lazzarin
LAURA LAZZARIN ist 1979 in Padua (Italien) geboren und dort aufgewachsen. Nachdem sie ihr Studium der Kommunikationswissenschaften und Soziologie abgeschlossen hat, ist sie 2005 nach Berlin gezogen, um an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Regie zu studieren. 2011 wurde ihr erster abendfüllender Dokumentarfilm LAND OF JOY fertig gestellt, der u.a. auf dem 29. Torino Film Festival lief.
2010 ist ihre Tochter Greta zur Welt gekommen. Dieses Ereignis brachte sie in Kontakt mit den pädagogischen Ansätzen von Emmi Pikler, was ihr auch beruflich ein neues Feld eröffnete. Sie hat die Ausbildung zur Pikler® Pädadogin absolviert und seit 2014 arbeitet sie als Leiterin von Eltern-Kind-Gruppen. 2019 ist ihr Sohn Arlo Eliano zur Welt gekommen. Zusammen mit Stephanie Küpper hat sie einen neuen Dokumentarfilm fertiggestellt: „Pikler® Spielraum – Erlebnisse einer Eltern-Kind-Gruppe„. Der Film wird am 19. Januar 2020 an der Urania seine Berliner Premiere feiern.
Trailer „Pikler® Spielraum – Erlebnisse einer Eltern-Kind-Gruppe“
„Pikler®SpielRaum-Film“: Eine Rezension von Esther Schröder (Montessori-Erzieherin & Fachberatung im Bundesprogramm Sprachkitas)
„Laura Lazzarin hat nach „Entfaltungen“ gemeinsam mit Stephanie Küpper aus Aachen einen weiteren wunderschönen Film herausgebracht.
Man sieht in diesem Film hochkonzentrierte Kinder unter 3 Jahren beim Spiel. Der Spiel®Raum ist ein Konzept einer Eltern-Kind-Arbeit, das auf den Richtlinien und Prinzipien der Arbeit von Emmi Pikler beruht. Es ist kein „Kurs“ in dem Sinne, dass Eltern etwas „beigebracht“ würde über die Entwicklung von Kindern in dem Alter, wie ihres gerade ist oder eine Eltern-Kind-Gruppe, in der man sich wöchentlich trifft und gemeinsam oder unter einer Leitung den Kleinkindern Spielmöglichkeiten schafft und sich selber unterhält.
Spiel®Räume sind vorbereitete Umgebungen für die Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten von Kindern unter drei, in denen Eltern auch willkommen sind als sichere Basis und teilnehmende, liebevolle Beobachter der Eigeninitiativen ihres Kindes. Der Film hat schöne, langsame Bilder, die nicht untermalt sind von Musik (außer zum Schluss). Während der Spielsequenzen der Kinder gibt es keinerlei parallele Kommentare. Immer wieder aber kommen die Initiatorin des Spiel®Raumes in Aachen, Stephanie Küpper, und einzelne Eltern zu Wort, indem sie Antworten auf Fragen geben und so ihre Sicht der Dinge und ihre eigenen Erfahrungen darlegen.
O-Töne von Eltern in dem Film sind z.B.:
„Das Hiersein hat vielleicht schon etwas mit mehr Achtsamkeit zu tun, die man halt zu Hause nicht immer so an den Tag legen kann.“ Stimme einer Mutter
„Ich habe das Gefühl, dass wir als Eltern hier viel mehr gelernt haben als die Kinder, weil wir noch in unseren Strukturen so gefangen sind, dass man Sachen beibringen muss. Aber die Kinder lernen das ganz natürlich, und wir lernen dann, dass wir gar nicht so viel eingreifen müssen.“ Stimme eines Vaters
Bei den Aufnahmen wird deutlich, dass die Kinder nicht in die (Bewegungs)Entwicklung gehen, um sie zu erweitern, sondern weil sie in ihrer Forscher-Mentalität ein Ziel haben, nämlich: eine gute Ausgangsbasis zu finden, um DIESES interessante Spielzeug zu untersuchen (oder den Kopf eines anderen Kindes oder noch anderes).
Ein Junge mit einem blauen Sieb z.B.: Endlich hatte er das Teil so gedreht, dass er „mundeln“ konnte (= es mit dem Mund erforschen), dann aber rutschte es ihm im letzten Moment aus der Hand und – huch: drehte sich! Was war das interessant! Kann man das wiederholen? Und er versucht, das Sieb zum Drehen zu bringen. Da kann man Kinder in ganz ursprünglichem Sinne im Erleben ihrer Selbstwirksamkeit sehen. Etwas, was alle Kinder mitbringen, wenn wir Erwachsene sie ihnen nicht durch unsere Initiativen und unser Eingreifen abgewöhnen.
Man sieht den Humor mancher Kinder in einigen Situationen, wie sie mit sich selbst und den Gegenständen Späße machen und auch, dass Kinder in dem Alter bereits enorm geschickt sind in ihrer Fingerfertigkeit. Das ist wohl genau das, was entsteht, wenn man in Ruhe die Dinge erkunden kann und auch in großer Vielfalt zur Verfügung hat.
Dieser Film ist für uns alle ein Anschauen wert – weil er uns zeigt, wie Kindheit gesund gelebt werden kann im Alter von 0-3 Jahren, wenn wir die Kinder einfach lassen – in einer geschützten Umgebung, die vorbereitet ist in Bezug auf ihre Bedürfnisse, mit der sicheren Basis von Bezugspersonen im Hintergrund – alles andere machen sie selbst. Und besser als alles, was man ihnen von außen je „beibringen“ könnte“.